Generalmajor Armin Fleischmann
Vorsitzender AFCEA Bonn e.V.
Abteilungsleiter Planung CIR und Digitalisierung der Bundeswehr
Die Zeitenwende in der nationalen Sicherheit ist nichts, das einmal kommt und schnell wieder geht. Die Wahrnehmung ist heute seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, den Militärschlägen in der Krisenregion Naher Osten besonders offensichtlich. Zudem richten sich Verbündete wie die USA, auf die Deutschland und die NATO lange setzten, neu aus. Die Zeitenwende in der nationalen Sicherheit ist eine doppelte: Sie wird sowohl durch die neue sicherheitspolitische Lage als auch durch disruptive und digitale Lösungen vorangetrieben. Unsere gesamte nationale Sicherheitsarchitektur muss sich neu ausrichten. Diese Transformation trifft nicht nur Bundeswehr und Sicherheitsbehörden sondern auch Verwaltung, Wissenschaft und die Industrie.
„Future of Defence“ – die Zukunft der Verteidigung ist darum digitalisiert und für jede neue Form von Angriffe bereit. Darum muss die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierung und Verteidigungsfähigkeit – die doppelte Zeitenwende – unser übergeordnetes gesellschaftliches Ziel sein. Unsere Gesellschaft, unser Staat und unsere Bundeswehr müssen die notwendige Resilienz gegenüber den heutigen Bedrohungen erreichen. Unsere nationale Souveränität muss stark genug und technologisch führend sein.
Als Verteidigungsbranche sind wir heute auf dem Weg, die notwendigen Schritte zu gehen, die sich aus der Erkenntnis dieser doppelten Zeitenwende ergeben. Der Weg ist lang und erfordert Ausdauer. Neun Felder lassen sich identifizieren, mit denen wir mehr Resilienz und nationale Sicherheit erreichen können. Das sind Frühwarnsysteme, Cybersicherheit, Krisenkommunikation, Datenmanagement, Künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Software Defined Defence, Weltraumtechnologien und Innovationsförderung.
Nehmen wir das Beispiel Software Defined Defence. Mit diesem Leitprinzip sollen die enormen Potenziale von Software für die stetige Verbesserung und Erweiterung der Fähigkeiten von Waffensystemen genutzt werden. Das Ziel: Eine flächendeckende Steigerung der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr.
Herkömmliche Ansätze zur Fähigkeitsentwicklung und -bereitstellung können den Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Software Defined Defense (SDD) ermöglicht eine bessere Anpassungsfähigkeit. Sie ist aber auch eine notwendige Voraussetzung, um Fähigkeiten adäquat und einsatzbereit den Herausforderungen anzupassen. Hier sehen wir nicht nur viele Potenziale sondern auch erste gute Entwicklungen.
Oder nehmen wir den Einsatz von künstlicher Intelligenz: Ihre militärische Anwendung kann ebenfalls die Leistungsfähigkeit und damit die Verteidigungsfähigkeit erhöhen. Als wertebasierte Gesellschaft wollen wir jedoch, dass ihr Einsatz gleichzeitig einem ‚Legal Design‘ und ethischen Überlegungen folgt.
Das Ziel gesellschaftlicher Resilienz nachhaltig verankern und die digitale Transformation erfolgreich zu machen, erfordert eine kontinuierliche und intensive Begleitung. Das ist Kommunikations- und Führungsaufgabe, um Beharrungskräfte zu überwinden, ab auch um Wahrnehmung und Situationsbewusstsein zu schaffen, während gleichzeitig in der politischen Debatte immer stärker der gemeinsame, akzeptierte Grund, was Tatsachenrealität ist, erodiert. Wer über Future of Defence spricht, muss sich darum immer den Herausforderungen für Führung und Wahrnehmung einer resilienteren Gesellschaft bewusst sein. Industrie, Wissenschaft und Bundeswehr können das Ziel gesellschaftlicher Resilienz nur gemeinsam nachhaltig verankern und erfolgreich begleiten. Sind wir hier bereits am Ziel? Die Antwort ist: Sicher nicht! Doch wir sind auf dem Weg. Die Community liefert. Wir sehen dass Ämterseite, Industrie und Wissenschaft engagiert zusammen Lösungen entwickeln und umsetzen können, damit wir die digitale Transformation unserer nationalen Sicherheitsarchitektur erfolgreich umsetzen. Nur wenn sich Bedarfsträger, Bedarfsdecker, Industrie und die Wissenschaft effizient und effektiv austauschen können, gelingt Zeitenwende und damit Future of Defence.

Es benötigt einen sachlichen Dialog und frühe Informationen der Bedarfsträger und ihrer Interessen, damit der Bedarfsdecker Lösungsräume identifizieren und die Industrie den Sachstand und das Entwicklungspotential darstellen kann. Auch die Wissenschaft lässt ihre Erkenntnisse in Konzeptionen einfließen.
Unser gesellschaftliches Ziel ist damit noch lange nicht erreicht. Gemeinsam laufen wir die Marathonstrecke. Es ist noch ein langer Weg zu gehen, der von Herausforderungen geprägt ist: Weiterhin destabilisieren Desinformationskampagnen und Extremismus unsere Gesellschaft und setzen tagtäglich unsere freiheitliche demokratische Grundordnung unter Druck. In einer angespannten finanziellen Situation erfordert die zunehmende militärische Bedrohung weiterhin Investitionen in unsere Verteidigungsfähigkeit zur Wahrung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Future of Defence hat erst begonnen!
