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Auto der Zukunft

Heißes Eisen – Für die Autos von morgen

Heißes Eisen - Für die Autos von morgen
Heißes Eisen - Für die Autos von morgen
Foto: 3DMI

Warmumgeformte Stähle spielen in der Industrie eine immer größere Rolle, damit Autos leichter und zugleich sicherer werden.

Die Warmumformung – auch Formhärten oder Presshärten genannt – ist dabei ein noch relativ junges Verfahren in der Fertigung. Es belegt, dass das Leichtbaupotenzial von Stahl bei Weitem noch nicht ausgereizt ist.

Die Warmumformung ist bereits seit den 1980er-Jahren bekannt. Aber erst neue Fertigungsmethoden haben ihr in diesem Jahrhundert zum Durchbruch verholfen. In Sachen Leichtbau lassen sich dank der Warmumformung dünnwandigere Bauteile dimensionieren – was sich positiv auf das Gewicht der Karosserie auswirkt.

Ein gutes Beispiel sind warmumgeformte Bauteile aus ultrahochfesten Mangan-Bor-Stählen: Die Blechplatinen aus diesen Stählen werden auf rund 950 Grad Celsius erwärmt und anschließend umgeformt. Bauteile, die so produziert werden, zeigen hohe Festigkeit, komplexe Formen und reduzierte Rückfederungseffekte. Dazu gehören beispielsweise A- und B-Säulen, Stoßfängerquerträger oder Seitenaufprallträger. Sie bieten aufgrund dieser Eigenschaften einen sehr hohen Verformungswiderstand bei einem Unfall.

Partielles Vergüten

In den Rohkarosserien aktueller Fahrzeuge befinden sich durchschnittlich zwischen fünf und 15 Prozent warmumgeformte Bauteile. Mittelfristig erwarten die Fachleute von Automobil-, Stahl- und Anlagenherstellern durchaus Anteile von bis zu 30 Prozent.

Neben dem Presshärten von Blechplatinen gewinnt das partielle Vergüten zunehmend an Bedeutung. Hierbei wird durch unterschiedlich schnelle Abkühlung nur in einem Teilbereich des Bauteils eine hohe Härte erzeugt. Somit können anforderungsgerechte Eigenschaften über die Bauteillänge erzeugt werden.

Bei den Stahlherstellern geht die Entwicklung neuer warmumformbarer Stahlsorten weiter in Richtung noch höherer Bauteilfestigkeiten. In einem Forschungsprojekt wurde eine neue Sorte entwickelt, die Festigkeiten bis zu 2.000 Megapascal ermöglicht. Neben den Anwendungen im Karosseriebau wird künftig auch der Fahrwerksbereich stärker in den Fokus rücken.

Interview

David Cottens
 

David Cottens

ArcelorMittal Global R&D – Luxembourg
 

 

Wie nehmen Sie als Stahlkonzern die Konkurrenz zu anderen Anbietern beim Leichtbau wahr?

Beim Rennen nach weniger Gewicht hat Stahl auch in Zukunft weiterhin einen großen Anteil. Dennoch sind Anbieter für Materialien wie Aluminium oder Kunststoff natürlich große Konkurrenten. Mal eben 10 Kilo an einem Bauteil einzusparen, mag auf den ersten Blick mit Aluminium oder Kunststoff schneller gehen.

Wie so oft in der Industrie ist aber ein Gleichgewicht der einzelnen Faktoren, die eine Rolle spielen, entscheidend. Hinzu kommen Parameter wie Kosten, bei denen Stahl mit seinen eingespielten Prozessketten deutlich günstiger in der Herstellung und Verarbeitung ist. Aber natürlich spielen auch Punkte wie Crashverhalten und Steifigkeit der jeweiligen Materialien hinein.

Dennoch ist uns im Sinne unserer Kunden wichtig, dass sich alle Materialien in der Fügetechnk im Endprodukt gut mit einander verbinden. Hier kommt es auf Verträglichkeit an.

In der Vergangenheit gab es schon eine Zusammenarbeit mit einem Hersteller für Kunststoff. Die Forschung dafür ist unentbehrlich. Inzwischen engagieren wir uns diesbezüglich gemeinsam mit Universitäten, Stiftungen und den OEMs.

In Deutschland ist das Thema Leichtbau sehr präsent. Ihr Konzern ist weltweit mit 60 Standorten vertreten. Wie nehmen Sie das Thema wahr?

Das ist sicher eine globale Herausforderung. Die OEMs achten sehr darauf, künftig die gesetzlich vorgeschriebenen Ziele zu erreichen. Jedem Gramm über den Vorgaben folgen finanzielle Einbußen, die exponenziell wachsen.

Auf europäischer Ebene wird dieses Thema zum Beispiel auch in Ländern wie Italien oder Frankreich diskutiert, sehr intensiv auch in Deutschland. Das liegt an den vielen Premiumherstellern hierzulande mit ihren Fahrzeugen, bei denen ein etwas höherer Verbrauch beziehungsweise seine Reduzierung eine größere Rolle spielen.

Die ständige Sorge um die Umweltvorgaben treibt aber ebenso die Chinesen oder Amerikaner um. Auch wenn zurzeit noch unklar ist, wie sich die neuen US-Behörden dazu verhalten.

Mit welchen Produkten unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Reduzierung von Gewicht?

Ein wichtiger Trend ist die Warmumformung. Sie findet sich in Europa und in der NAFTA-Region, aber auch in China. In Asien gibt es sehr viele Produktionslinien, die damit arbeiten. Warmumgeformte Produktionslinien werden die Automobilbranche dominieren.

ArcelorMittal war der erste Hersteller, der mit einem beschichteten Warmformstahl -Usibor genannt erfolgreich war. Aber auch Ductibor ist für den direkten Warmumformungsprozess entwickelt worden. Dafür wird der mit Aluminium beschichtete Stahl erst auf 900 Grad erhitzt, dann geformt und in den wassergefüllten Umformwerkzeugen gehärtet.

Unsere neuesten Produkte dieser Reihe, Usibor 2000 und Ductibor 1000, sind kommerziell verfügbar und befinden sich zurzeit in der Qualifizierungsphase bei unseren Kunden. Sie sind schon bemustert und momentan läuft der Freigabeprozess.

Welche Vorteile haben sie?

Ziel ist immer, einen Stahl zu produzieren, der fest und stabil ist, leicht formbar, aber gleichzeitig deutlich leichter. Generell verlieren so die Karosserien im Fahrzeugbau an Gewicht und führen zu erheblichen CO2-Minderungen. Dies erreichen wir unter anderem mit Usibor und Ductibor und wollen damit der Entwicklung immer Voraus sein.

Diese leichten Stahlprodukte können in vielen Teilen im Auto eingesetzt werden – von der A- und B-Säule bis hin zum Stoßfängerträger. Gleichzeitig zeigen sie aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften bessere Ergebnisse bei Crashtests und sind weniger anfällig für Rost. Außerdem bieten sich mit ihnen Stahllösungen an, die mehrere Funktionen integrieren und bei denen Verstärkungen und Füge-Operationen entfallen.

In einem Wagen der Kompaktklasse können so bis zu 73 Kilogramm Stahl reduziert werden, ohne dass Sie bei Funktionalität oder Sicherheit Abstriche machen müssen.

Wie wissen die Kunden, welches Produkt sie aus Ihrem Portfolio am besten einsetzen?

Natürlich unterstützen wir sie dabei, das richtige Material am richtigen Ort in der Produktion und im Fahrzeug einzusetzen. Nur dann gelingt ihnen die ideale Kostenersparnis. Wir haben selbst im Eigentest eine Menge an Bauteilen wie zum Beispiel Türen, Rahmen oder Sitze entwickelt, um unsere Kunden entsprechend zu beraten. Nach unserer Erfahrung gibt es einige Teile im Auto, die noch über reichlich Einsparpotenzial verfügen.

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