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Auto der Zukunft

„Es ist nicht fünf nach zwölf, eher kurz vor eins“

„Es ist nicht fünf nach zwölf, eher kurz vor eins“
„Es ist nicht fünf nach zwölf, eher kurz vor eins“
Foto: navee sangvitoon/Shutterstock

BEM-Präsident Kurt Sigl im Interview.

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Kurt Sigl

Präsident & Vorstand Bundesverband eMobilität

Kurt Sigl ist Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM) und setzt sich dafür ein, die deutsche Mobilität mit dem Einsatz von Erneuerbaren Energien auf Elektromobilität umzustellen. Der Bundesverband setzt dabei auf eine Vernetzung aller relevanten Akteure und hat einen Masterplan entwickelt, die Energie- und Mobilitätswende zusammenführen soll. Im Interview spricht der BEM-Präsident über die Herausforderungen, die der Branche bevorstehen und räumt mit Vorurteilen rund um eMobilität auf.

Was ist notwendig, um Elektromobilität in Deutschland alltagsfähig zu machen?

Die ganz wichtigen Dinge betreffen auch die Gesetzgebung. Regulierungen bei Ladungen im Wohn- und Mieteigentum, beispielsweise. Wenn sie der erste sind, der in einem Wohnkomplex eine Ladestation einbauen will und nur ein Nachbar nein sagt, ist das Thema durch. 80 Prozent der Ladevorgänge passieren Zuhause. Wir als Bundesverband sehen es als eines der wichtigsten Dinge an, privates Laden für alle zu ermöglichen.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass man eine private Ladestation aufbauen kann? Reicht eine klassische Steckdose?

Bei Verwendung eines entsprechenden Ladekabels mit integrierter Absicherung ist die klassische Steckdose tendenziell ausreichend. Wir empfehlen allerdings grundsätzlich eine handelsübliche Wallbox von einem Elektroinstallateur verbauen zu lassen, um allen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen.

Wie unterscheidet sich der Nebenkostenaufwand im Vergleich mit Benzinern oder Diesel?

Die Nebenkosten fallen bei Elektroautos deutlich geringer aus. So ist beispielsweise der Bremsscheibenverschleiß durch die Bremsenergierückgewinnung deutlich geringer, der Ölwechsel fällt komplett weg, die Aggregate sind insgesamt weniger wartungsintensiv, da viel weniger mechanische Komponenten verbaut werden. Dazu kommt die Steuerbefreiung sowie die unterschiedlichen Fördermaßnahmen. Und zuletzt schlagen sich die geringeren Energiekosten im Vergleich zur klassischen Betankung mit Sprit deutlich positiv auf die Betriebskosten nieder.

Geschäftsreisende, die viel mit dem Auto unterwegs sind, sind auf Lademöglichkeiten angewiesen. Wie gut ist aktuell die Infrastruktur in Deutschland diesbezüglich?

Wenn man sie für Dienstreisen nutzen will, definitiv zu schlecht. Gerade die Ladeinfrastruktur an Landstraßen und Autobahnen lässt noch sehr zu wünschen übrig. In Städten und Kommunen sind wir da relativ gut aufgestellt. Dort haben wir aber nur relativ langsames Laden mit 22 KW/h. An Autobahnen benötigt man dann doch noch deutlich schnellere Möglichkeiten.

Mobilität wird trotzdem von vielen Leuten kritisiert. Vor allem die Batterieproduktion steht im Fokus. Wie groß sind die Einflüsse auf die Umwelt?

Kritik an Produktionsprozessen sollte generell die Frage stellen in welchem Verhältnis die Umweltbelastungen oder der Energieaufwand zur Herstellung zu der zu ersetzenden Technologie stehen. Aktuell haben wir eher den Eindruck, dass die Kritik primär und einseitig die ablehnende Haltung gegenüber der Elektromobilität befördern soll und dabei weder berücksichtigt wird, dass diese Abbaumethoden in der Vergangenheit niemanden interessiert haben und der Bedarf ja auch in vielen anderen Bereichen besteht, die gar nichts mit der eMobilität zu tun haben. Grundsätzlich setzen wir uns natürlich dafür ein, dass die Prozesskette bei Rohstoffen, Produktion und Betrieb nachhaltig ausgelegt wird. Selbstverständlich sollte dies alle Bereiche der Wirtschaft betreffen und so können sich auch die Kritiker an die eigene Nase fassen.

Wie können Sie sich erklären, dass es diese Assoziationen gibt?

Da trägt auch die Presse zu bei. Es wird überall unterschiedlich berichtet. Und solange in Deutschland Kohleabbau durchgeführt wird, rückt eine tatsächliche Energiewende in weite Ferne.

Ist dies eine Gefährdung für die Entwicklung der E-Mobilität in Deutschland?

Das sehe ich nicht als Gefährdung. Ich sehe es so, dass man sich damit aktuell einfach keinen Gefallen tut. Weltweit ist es schon längst entschieden, dass die Elektro-Mobilität kommen wird. Ich sehe da eher die Problematik, dass wir durch die Diskussion Boden verlieren im internationalen Vergleich. Wir sind aktuell schon 6-7 Jahre zurück. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Wir wissen immer unheimlich schnell, was nicht geht, anstatt darauf zu blicken, was alles möglich ist. Wir überregulieren.

Da E-Autos sehr leise sind, gibt es die Befürchtung, dass dadurch mehr Unfälle passieren.

Fahrräder und einige neue Verbrennermodelle sind teilweise ebenfalls recht leise. Die Abrollgeräusche beim Fahren, insbesondere ab 20 km/h sind allerdings durchaus gut zu hören. Mit Kopfhörer im Ohr bringt das allerdings auch nicht viel. Wer sich als Teilnehmer im Straßenverkehr bewegt, sollte auf den Rechts-Links-Blick vertrauen.

Wir wird E-Mobilität in den nächsten Jahren hier in Deutschland aussehen?

Man muss sich nur die vorhandenen Zahlen ansehen, die sich exponentiell entwickeln. Wir gehen davon aus, dass sich die Anzahl an reinen Elektroautos verdoppeln wird im nächsten Jahr. Es wird der Markt schlechthin werden. Egal ob wir oder die deutschen Autohersteller das wollen oder nicht. Da habe ich eher Angst das diese auf der Strecke bleiben im internationalen Markt.

Was sind die größten Herausforderungen für deutsche Firmen dort mitzuhalten?

Heute sind die Global Player in diesem Segment Jahre voraus. Das wird ein riesen Akt werden, dort Anschluss zu finden. Wir hoffen, dass die Lobbyisten nicht noch weitere Regulierungen durchsetzen. Wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis. Es ist nicht fünf nach zwölf, sondern eher kurz vor eins. Wir brauchen dringend eine Verbindung der Energie- und Mobilitätswende. Wir müssen beide verbinden, nicht parallel laufen lassen. Dann kommen die eigentlichen Vorteile zum Tragen. Wir vom Bundesverband haben einen Masterplan für die Energie- und Mobilitätswende entwickelt. Der Masterplan muss sich in der Politik wiederfinden. Diesen muss man dann umsetzen, um den Playern die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln.

INFORMATION

Erfahren Sie jetzt mehr über den Bundesverband eMobilität e.V. unter www.bem-ev.de  !

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